100 Jahre Kontinentaldrifttheorie Alfred Wegeners

Titelseite von Alfred Wegeners Exemplar der 1. Ausgabe von "Entstehung der Kontinente und Ozeane", das der Autor und Wissenschaftler mit handschriftlichen Anmerkungen versehen hat, Foto: Claudia Pichler, Alfred-Wegener-Institut

Der Kopernikus der Geowissenschaften: 100 Jahre Kontinentaldrifttheorie Alfred Wegeners – ein Gedenksymposium erinnert im Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt am Main an die Erstpräsentation
Am 6. Januar 2012 war es genau 100 Jahre her, dass die Idee der Verschiebung der Kontinente als Grundbaustein unseres heutigen Verständnisses einer dynamischen Erde zum ersten Mal der wissenschaftlichen Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Auf der Hauptversammlung der Geologischen Vereinigung (GV) präsentierte an diesem Tag im Jahr 1912 im Frankfurter Senckenberg-Museum der damals 31-jährige Meteorologe Alfred Wegener seine Theorie der driftenden Kontinente.

Mit einem Fachsymposium und einem öffentlichen Abendvortrag erinnerten das Senckenberg Forschungsinstitut und das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) am 6. Januar 2012 gemeinsam an diesen denkwürdigen Moment in den Geowissenschaften. In sieben Vorträge wurden verschiedene Aspekte aus dem Werk Wegeners und die Entwicklung der Geowissenschaften nach Wegeners bahnbrechender Veröffentlichung vorgestellt. Anschließend präsentierte Reinhard A. Krause vom AWI in einem öffentlichen Abendvortrag eine zusammenfassende Darstellung der wissenschaftlichen Leistung Wegeners.

Der Veranstaltungsort war dabei leider nicht der Raum, in dem Wegener 1912 seinen Vortrag hielt, denn der damals bestehende Sitzungssaal im Erdgeschoss des neobarocken Prachtbaus ist mittlerweile zum Pausenraum für Schulklassen umgebaut, erklärte Prof. Volker Mosbrugger, Generaldirektor Senckenbergs, in seiner Eröffnungsredeim Festsaal des Museums.

Zu Beginn des Symposiums zeichnete Ulrich Wutzke, Geologe, Fachredakteur und einer der wichtigsten Biographen Wegeners, dessen Lebensweg nach: Alfred Wegener wuchs in Berlin im Pfarrhaus an der (heute verschwundenen) Petrikirche sowie in Zechlinerhütte im ländlichen nördlichen Brandenburg auf. Sein Studium der Naturwissenschaften (Physik, Meteorologie, Astronomie) in Berlin, Heidelberg und Innsbruck, schloss  er 1905 mit der Promotion in Berlin ab. Anschließend arbeitete er – zusammen mit seinem älteren Bruder Kurt – am Aeronautischen Observatorium in Lindenberg bei Beeskow in Ostbrandenburg. Im Rahmen  meteorologischer Messungen wurde Wegener zum Ballonfahrer; zusammen mit seinem Bruder Kurt stellte er im April 1906 mit einem 52-stündigen Ballonflug von Lindenberg über Flensburg bis in den Spessart einen Weltrekord auf. Im selben Jahr noch nahm er auf eigene Initiative an der Grönland-Exkursion des Dänen Ludvig Mylius-Erichsen teil. Ab 1909 war Wegener Privatdozent, dann Professor in Marburg. Dort schrieb er – u.a. im Genesungsurlaub während des ersten Weltkriegs – sein Hauptwerk „Die Entstehung der Kontinente und Ozeane”, das in der 1. Auflage 1915 erschien. 1913 heiratete Wegener Else Köppen, die Tochter des Klimatologen Wladimir Köppen, mit dem Wegener auch wissenschaftlich – vor allem zur Paläoklimaforschung – zusammenarbeitete. Wutzke referierte eindringlich die Herausforderungen der Grönland-Expeditionen, die letztlich auch Wegener, im Jahr 1930, das Leben kosten sollten. Aber nicht nur als Wegbereiter der Plattentektonik und als Polarforscher, insbesondere Polarmeteorologe, leistete Wegener Außergewöhnliches. Bedeutend sind auch seine Arbeiten zur Typologie der Krater. Auf dieser Grundlage konnte er den Fund eines 1916 eingeschlagenen Meteoriten im hessischen Knüllgebirge voraussagen.         

Prof. Wolfgang Jakoby von der Universität Mainz begab sich auf die Spuren wichtiger Details in der Entwicklung von Wegeners Theorie: 1912 hatte Wegener im Prinzip bereits das Phänomen des „seafloor spreading“ formuliert, dies jedoch in den späteren Veröffentlichungen nicht mehr angeführt. Als Grund dafür vermutet Jakoby, dass Wegener bei einem Island-Aufenthalt keine Spalten sah, die den Prozess belegen konnten. Aber die Spalten existieren, sogar in Schwärmen – nur dass Wegener ihnen damals nicht begegnete. Jakoby stellte Wegener auch in einen wissenschaftshistorischen und -theoretischen Kontext: als Kämpfer gegen den heute erschreckend anmutenden „fixistischen Konservatismus“ der damaligen Fachvertreter und als ein Forscher, der mit der richtigen Mischung aus Intuition und sorgfältigem Nachrechnen ans Werk ging.
Prof. Rolf Schroeder vom Senckenberg-Forschungsinstitut erinnerte an die Darstellungen sich verschiebender Kontinente vor Wegeners Theorie, insbesondere an Antonio Snider. Snider hatte 1858 einen Bericht mit einer derartigen Darstellung veröffentlicht. Schröder präsentierte vor allem die paläontologischen Aspekte und Argumente, die für Wegeners Idee sprachen – ein Thema, das Prof. Alan Lord, ebenfalls vom Senckenberg-Forschungsinstitut, noch vertiefte, mit besonderer Berücksichtigung der Entwicklung der Ostrakoden beiderseits des Atlantiks.

Die Thematik der Paläoklimatologie, die Wegener auch zusammen mit seinem Schwiegervater Köppen bearbeitete, kam im Vortrag von Jörn Thiede (ehemals Direktor des AWI, heute an der St. Petersburg State University tätig) zum Tragen. Die beiden Wissenschaftler stützten sich dabei wesentlich auf die Arbeiten des serbischen Ingenieurs und Mathematikers Milutin Milancović, der die Schwankungen der Sonneneinstrahlung als Folge astronomischer Regelmäßigkeiten (Exzentrizität u.a.) erklärte. Die Daten sind heute in vieler Hinsicht durch die Auswertungen von Eiskeilen aus der polaren Eismasse bestätigt.
Dr. Karsten Piepjohn präsentierte in seinem exzellent bebilderten Vortrag ein exemplarisches Schaustück zum Thema Kontinentaldrift: „12 000 Kilometer in 600 Millionen Jahren“ – der Weg der Inselgruppe Spitzbergen vom Südpol zum Nordpol. Dabei lieferte er für die verschiedenen Zeitschnitte jeweils die Position des Krustenstücks auf dem Globus und die paläoökologische Situation. Frank Wilhelms vom AWI berichtete schließlich über die aktuellen Forschungen zu Eisschilden und Eiskernbohrungen und die daraus resultierenden Klimarekonstruktionen– in beispielhaft internationaler Zusammenarbeit, seit Neuestem im Rahmen von IPICS – International Partnership in Ice Core Science.

Den Reigen der Vorträge schloss der öffentliche Abendvortrag von Dr. Reinhard A. Krause vom AWI ab. Wie zuvor Wutzke folgte auch Krause den Lebensstationen Wegeners, wobei er das Bekannte durch viele interessante, noch weitgehend unbekannte Details ergänzte. Sein Vortrag zeigte  Wegener als praktischen Problemlöser auf den Expeditionen, aber auch als den theoretisch versierten Wissenschaftler, der 1926 seine Vorstellungen von Bau und Dynamik der Erde bereits auf einem internationalen Symposium in New York präsentierte.

Zum Jahrestag eröffnete das Senckenberg Naturmuseum die interaktive Sonderausstellung „Weltbewegend – Alfred Wegeners Theorie wird 100“, die den Besuchern/-innen in sehr interessanter Weise die Persönlichkeit und die wissenschaftliche Leistung des Meteorologen, Geowissenschaftlers und Polarforschers Wegener nahebringt. 

Weitere Beiträge zum Thema:

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